Endlich Sommer, endlich Ferien! Auf Instagram und Facebook kommt wieder die Zeit des scheinbar perfekten Lebens. Die Sicht auf das «ICH» steht im Vordergrund. Und so kommt es, dass das Daten-Selfie plötzlich eine höhere Bedeutung bekommt als unser Spiegelbild. Diverse Apps machen es zudem möglich, einen zweiten, künstlichen Körper zu schaffen, den wir online präsentieren können. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, einfach aufzufallen – es geht um die Vermarktung der eigenen Person. Bezahlt wird in Likes. Also wie muss ich aussehen, damit ich noch mehr Likes erhalte und andere mich toll finden?
Die Vorstellung unseres modernen «ICHS» gründet in der griechischen Antike, als die Menschen erstmals begannen, nach persönlicher Entwicklung zu streben, nach Ruhm und Ehre. Die Olympischen Spiele bildeten dabei den Ursprung des Wettbewerbsgedankens, die Statuen griechischer Götter etablierten die Schablone für Körperideale, die bis heute gelten. Eine 2500 Jahre alte Statue von Herkules könnte noch heute auf dem Cover der Zeitschrift «Men’s Health» stehen. Ein zu dicker Bauch galt als Zeichen der Verweichlichung und war gar nicht gern gesehen.
Der Druck auf die Menschen nimmt ständig zu. Im Silicon Valley herrscht so harter Wettbewerb, dass sogar bei der Suche nach Optimierungspotential vor dem eigenen Körper keinen Halt gemacht wird. Ein Biohacker will die bestmögliche Version seiner selbst sein, die eigene Biologie, also den eigenen Körper so verstehen, dass er diesen «hacken» und dadurch in vielerlei Hinsicht optimieren kann.
GEOFF WOOD: «We believe that the human is a system that can be quantified, optimized and upgraded. »
CHRIS DANCY: «In the future we will download habits and environments. We will actually upgrade ourselves, as we become apps.»
PAUL AUSTIN: «Be ready to feel like someone stepped into your head and shuffled things around.»
Wer es aber mit dem Streben nach Makellosigkeit übertreibt, wird ganz bestimmt krank. Für die Welt soll man ein Lächeln aufs Gesicht zaubern und perfekt sein, auch wenn man innerlich weint? Statt auf Knopfdruck zum Daten-Buddhisten zu werden empfehlen wir: Lieber sich selbst bewusster wahrnehmen, die Sinne schärfen, innehalten und durchatmen – dies ist auch das Ziel von Achtsamkeit. Achtsamkeit hat die Wurzeln in der buddhistischen Lehre und ist eine der sieben Voraussetzungen zur Überwindung des Leidens.
In diesem Sinne wünschen wir schöne Ferien.
#lovemylife #nomakeupselfie #trainhard
Lektüre:
Will Storr: Selfie. How We Became So Self-Obsessed and What It’s Doing to Us. Picador 2017
Remo Largo: Das passende Leben. Was unsere Individualität ausmacht und wie wir sie leben können. Fischer 2017
GDI Studie: WELLNESS 2030. Die neuen Techniken des Glücks. David Bosshart, Karin Frick, Marta Kwiatkowski und Leonie Thalmann. GDI 2019